Hans Feigenwinter, Pianist, Bänz Oester, Bassist, Norbert Pfammatter, Schlagzeuger

 Feigenwinter 

 Oester 

 Pfammatter 

  Zurück

Basler Zeitung

Tom Gsteiger, 13. Februar 1996


Hans Feigenwinter, Bänz Öster, Norbert Pfammatter – Review
Hans Feigenwinter, Bänz Öster, Norbert Pfammatter – Review

Jazz-Standards im Höhenflug: Hans Feigenwinter im Basler «Bird's Eye»

Die Songs aus dem «Great American Songbook», also Stücke aus Broadway-Musicals und Hollywood-FIlmen, sozusagen die amerikanischen Popsongs der ersten Jahrhunderthälfte, werden heute leider zu oft auf exhibitionistisch-ein-fallslosen Jam-Sessions kaputtgespielt: Wunderbare Standards werden reduziert zu blossen Harmonielieferanten für langfädige «Licks» – Dreschereien. Es ginge auch heute – also in Zeiten, in denen die Melodien von Porter, Gershwin, Kern et al. nicht mehr zur musikalischen Alltagssprache gehören, sondern nur noch in Jazzkreisen herumgereicht werden – noch ganz anders. Gruppen wie Motian-Frisell-Lovano oder Keith-Jarrett-Trio destilieren aus dem «Great American Songbook» eigenständige und höchst aktuelle Musik; dabei gehen sie sowohl der Scylla der blossen Traditionsimitation als auch der Charybdis der Traditionszentrümmerung aus dem Weg; erstere mündet in langweiliges Epigonentum, letztere in einen Trümmerhaufen.

Mit seinem Trio GAS widmet sich der Basler Pianist Hans Feigenwinter ausschliesslich dem «Great American Songbook»: Mit inbändiger Improvisationslist und einem schier unerschöpflichen Erfindungsreichtum taucht er ab in die Tiefen des US-Songschaffens und setzt zur Bergung ungeahnter Schätze an; dabei wird er kongenial unterstützt vom Fundamentalbassisten Bänz Oester, der vor allem am zweiten Abend ohne Umschweife zu wesentlich-schnörkellosen Wahrheiten vondrang, und vom facettenreich und druckvoll agierenden «Schub-Drummer» Norbert Pfammatter. Zusammen entwickelten die beiden einen grossartigen «Heavyweight-Drive», der Hans Feigenwinter beflügelte und zu solistischen Glanzleistungen herausforderte. Dieser Ausnahme-Pianist spielte sich an zwei Abenden zu je drei Sets (fast sechs Stunden Musik!) praktisch ohne Durchhänger durch insgesamt 22 Stücke, dazu kamen am zweiten Abend sieben Wiederholungen, die sich allerdings substantiell von den früheren Interpretationen abhoben.

In seinem Spiel, das Assoziationen an Keith Jarrett, Lennie Tristano, Bud Powell und Bill Evans wachrief und trotzdem vollkommene Eigenständigkeit beanspruchen darf, weil es Vorbilder nicht kopiert, sodern transzendierend in sich aufhebt - in seinem Spiel also kombiniert Hans Feigenwinter rhythmische Insistenz, melodiös-linearen Einfallsreichtum und die grossartige Fähigkeit, Augenblickseingebungen in einen dramatischen Spannungsbogen zu integrieren; und er tappt weder in die Falle eines den Moment überbetonenden Spontaneitätsdenkens noch legt er sich in das Prokrustesbett zu straffer Strukturen. Mit GAS erweist sich Hans Feigenwinter, der mit der TV-Melodien-COmbi ZAP seine Fähigkeiten als schlauer Konzepter unter Beweis stellt, als einer der grossen Jazzimprovisatoren unserer Zeit.