Hans Feigenwinter, Pianist, Bänz Oester, Bassist, Norbert Pfammatter, Schlagzeuger

 Feigenwinter 

 Oester 

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Weltwoche

Peter Rüedi, 8. April 2020


Brisante Klassik
Von Peter Rüedi

Kann etwas gleichzeitig klassisch und aufregend sein? Nein, wenn wir an das zum Klischee erstarrte (und oft missverstandene) Schlagwort denken, Winckelmanns «edle Einfalt, stille Grösse». Zweifellos ja in Bezug auf eine der «klassischen» Formationen im Jazz, das Pianotrio mit Bass und Schlagzeug. Einerseits ist diese seit den Tagen des Swing so sehr courant normal, dass das Trio die Besetzung jedes einigermassen solventen Bar-Etablissements wurde; andererseits war es die ideale Folie für pianistische Brillanz, wie sie Oscar Peterson oder Erroll Garner auf grössten Bühnen abfeuerten. Beides setzte die Marginalisierung von Bass und Schlagzeug voraus. Dagegen suchten so unterschiedliche Feingeister wie Ahmad Jamal, Bill Evans oder Paul Bley die Emanzipation ihrer Partner. Sie gipfelte im sowohl künstlerisch wie kommerziell jahrzehntelang erfolgreichen Trio von Keith Jarrett, Gary Peacock und Jack DeJohnette. Es nannte sich «Standards». Damit war ein weiterer «Klassizismus» gemeint: die Konzentration auf die Songs aus dem dem «Great American Songbook», jene Meisterwerke der amerikanischen Unterhaltungskultur aus Musicals, Filmen und Tagesschlagern, die zusammen mit den populärsten Jazztiteln so etwas wie ein musikalisches kollektives Unbewusstes Amerikas vorstellen. Für Jarrett war dies Teil eines Konzepts, «to play other peoples music»; so wie er, andererseits, beim Bebop anknüpfte, dessen Erfindungen er für sträflich unterschätzt hielt.

Die neue CD des sprühenden Schweizer Trios mit Hans Feigenwinter (p), Bänz Oester (b) und Norbert Pfammatter (dr) ist in diesem doppelten Sinn, ebenfalls seit Jahrzehnten, «klassisch» und lodernd brisant: im Format und in der Auswahl der ausgewählten «Standards». In diesen, schnellen Fetzern wie Charlie Parkers «Perhaps» oder «Cherokee» und, eindrücklicher noch, in Balladeskem wie Coltranes «Central Park West», Carla Bleys «Lawns» oder dem alten «Limehouse Blues» entfalten die drei in grossmeisterlicher Zurückhaltung viel Gefühl für Raum und gegenseitige Rücksichtnahme. Sie beuten die Klassiker nicht aus, sie verwandeln sie sich an.

 

Feigenwinter, Oester, Pfammatter. 

The Edge. TCB 36502