Hans Feigenwinter, Pianist, Bänz Oester, Bassist, Norbert Pfammatter, Schlagzeuger

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Jazz am Mittwoch

Tom Gsteiger, Dezember 2004


Hans Feigenwinter, Bänz Öster, Norbert Pfammatter – Review
Hans Feigenwinter, Bänz Öster, Norbert Pfammatter – Review

JAZ AM MITTWOCH

Jeder Takt zwischen Kühnheit und Kontrolle

Die Musiker Hans Feigenwinter, Bänz Oester und Norbert Pfammatter bilden ein Trio, das keine Vergleiche zu scheuen braucht. Sie begeistern ihr Publikum mit hinreissenden und atemberaubenden Momenten. 

Es dürfte wohl niemand, der sich für Sport interessiert, auf die Idee kommen, Roger Federer als einen der besten Tennisspieler der Deutschschweiz zu bezeichnen, denn schliesslich sammelt der Basler keine Provinztunierpokale, sondern steht an der Spitze der Weltrangliste. In der Kunst gelten zugegebenermassen andere Regeln als im Sport: Ein Konzert ist in der Tat kein Tennismatch. Nichtsdestotrotz mutet es seltsam an, wenn eine Gruppe, die auf ihrem Gebiet seit vielen Jahren ein weit über den Durchschnitt herausragendes Inspirationsniveau und einen profunden Gestaltungswillen an den Tag legt, als «eines der besten Pianotrios der Deutschschweiz» angekündigt wird. Ein solches Urteil basiert auf einem Minderwertigkeitskomplex, wie er in der Schweizer Jazzszene leider immer noch anzutreffen ist. Das führt dazu, dass einheimische Musiker viel zu oft unter ihrem Wert gehandelt werden.

Beeindruckend souverän
Der Pianist Hans Feigenwinter, der Bassist Bänz Oester und der Schlagzeuger Norbert Pfammatter bewegen sich sozusagen auf dünnen Eis, haben sie sich doch mit dem Klaviertriojazz einem Kunstgenre verschrieben, das auf eine besonders gloriose Geschichte zurückblicken kann, in deren Verlauf zahlreiche nur schwer zu übertreffende Massstäbe gesetzt wurden: Unvergessliche Trioeinspielungen verdanken wir beispielsweise so unterschiedlichen Pianisten wie Bud Powell, Bill Evans, Paul Bley, Chick Corea, Keith Jarrett oder Bobo Stenson. Feigenwinter & Co. lassen sich von dieser Tradition weder er drücken noch zu epigonaler Bequemlichkeit verleiten, vielmehr führen sie sie auf eigenständige Weise fort, wobei sie mit beeindruckender instrumentaler Souveränität und viel swingender Souplesse agieren. Nach der Pause stiess das triumphale Triumvirat ein Tor zu einer anderen Welt auf, um nach einem abenteuerlichen Streifzug durch «Terra incognita» in himmlischen Gefilden zu laden; Eine freie Improvisation, die immer wieder überraschende Wendungen nahm, mündete in ein sparsames, schwebendes Arrangement von Leonard Bernsteins Ballade «Some other time» (aus diesem Stück destillierte Bill Evans 1958 sein legendäres «Peace piece»). Das Ganze dauerte beinahe dreissig Minuten, wobei in der ersten Hälfte eine von mysteriöser Abstraktion und unterschwelliger Panik geprägte Spannung aufgebaut wurde, die sodann von purer Poesie und unsentimentaler Schönheit abgelöst wurde. Von diesem Stück ging eine unheimlich starke Wirkung aus, die sich kaum beschreiben lässt: Es war so, als ob man nach einem zugleich faszinierenden und Unbehagen auslösenden Irrgang durch ein Labyrinth einen Ort totaler Geborgenheit gefunden hätte. 

Ameisengetrippel und Donnergrollen
Der Rest des Konzerts war zwar um einiges konventioneller angelegt, doch Mangel an hinreissenden und atemberaubenden Momenten herrschte deswegen noch lange nicht, beinahe jeder Takt vibrierte zwischen Kühnheit und Kontrolle. Besonders aufregend geriet die Version von Charlie Parkers Bop-Blues «Perhaps», bei welcher die Musiker verschiedenste Improvisationsstrategien und Klangtexturen zur Anwendung brachten: Pfammatters Schlazeugspiel zum Beispiel oszillierte zwischen Ameisengetrippel und Donnergrollen. Zeitgeistige Plattitüden oder nostalgische Arabesken sucht man in der Musik des Ausnahmetrios vergeblich: Essenz statt Klischees.

Keine Effekthascherei
Die Aufmerksamkeit des Publikums wurde nicht von Gags oder Effekthascherei absorbiert, sondern voll und ganz auf die vielgestaltige Transformation des musikalischen Materials gelenkt. Beis diesem Material handelt es sich nicht selten um bekannte Standards aus dem «Great American songbook», so wurde das Konzert im Theater am Gleis mit Gershwins «Nice work if you can get it» eröffnet, und als Zugabe gab es Jerome Kerns «Long ago and far away».